TQW Magazin
Ruth Weismann über Halle G wie Gudrun – ein Projekt von Doris Uhlich mit integration wien, Augustin und Obdach Forum

Transformative Verbindung

 

Transformative Verbindung

„Mach mal weiches Licht“, bittet Doris Uhlich am Donnerstag Lichttechniker Geri Pappenberger. Doris will nicht, dass die Bühne zu sehr nach gleißender Show aussieht. Nicht zu knallhart die Performance hervorkehren. Keine harte (Licht-)Grenze zwischen Publikum und Bühne, lieber etwas durchlässiger sein. Nicht klassisch Proben und dann Aufführung. Sondern zeigen, dass es ein Workshop ist, mit Leuten, die keine Profis sind. Übungen, die zur Schau werden, Szenen noch in Arbeit, immer in Veränderung. „Transformation ist das, was uns alle verbindet“, sagte sie schon vorher. Hier in der Halle G ist sie die Master of Ceremony mit Mikro in der Hand. Bei der Abschlussperformance vor Publikum am Samstag dann hört man Doris ansagen, was jetzt kommt, Hinweise geben, was man noch tun könnte. „Werft das Objekt mal ins Publikum, schauen wir, ob das funktioniert.“

Am Montag, als der Workshop beginnt, bringen alle erst mal ein, was ihnen einfällt. Jan Pisar z. B. seine Stimme. „Gudrun. Guuuudrun. Gudruuun“, hört das Publikum ihn dann am Samstagabend durch den Raum rufen. Eine Antwort bleibt aus. Gudrun ist die Imagination, die alles zusammenhält, abstrakt, aber titelgebend. Jans Stimme trägt weit. Er kam über den Augustin – die Wiener Straßenzeitung, die er seit vielen Jahren verkauft – hierher, um am einwöchigen Workshop mit Doris teilzunehmen. Andere kamen via Obdach Forum und ein paar mit integration wien.

Die meisten kannten sich vorher nicht. Am Ende der Woche stehen, sitzen, gehen, liegen, spielen, rufen, handeln, performen, erzählen sie gemeinsam vor Zuseher*innen. Zwischen, unter und über ihnen schweben und, rollen durchsichtige, aufblasbare Objekte (Ursula Klein) über die sonst leere Bühne, schwarzer Boden, teilweise farbiges Licht, das in den Kegeln, Würfeln, Quadern und Zylindern reflektiert wird, glänzt, die Ränder zum Leuchten bringt und das Dahinter in stylishe Verzerrtheit versetzt. Durchsehen. Interagieren. Er habe vorher nicht gewusst, was ihn erwarte, sagt Alex Amesberger, ein Teilnehmer, beim Publikumsgespräch nach der Show. „Aber das, das ist Kunst.“

Eine Kunst, in der menschliche Körper mit transparenten Objekten interagieren und dadurch etwas von sich preisgeben, ohne sich auszuliefern. Regina Amer sitzt vor dem größten Würfel und erzählt vom neuen Bad in der Wohnung, die sie nun hat. Dem Bad, das wie eine Meeresgrotte werden soll. Sie geht um den Würfel herum, steht dahinter und legt sich schließlich halb darunter, Witz in der Stimme, immer noch erzählend. Man kann nicht erdrückt werden, auch nicht von Durchsichtigkeit, wenn man selbst noch das Mikro hält. Der Würfel ist leicht. Alle werfen ihn irgendwann gemeinsam in die Luft, erhobene Arme. Er schwebt über ihnen wie ein tanzender, aus der Form geratener Wasserball. Nebelschwaden wabern um die Szene, der Sound (Boris Kopeinig) dröhnt und tropft, eine helle Stimme singt. Lyubov Leitner schlägt sich ihren Weg mit Catwalk-Attitüde durch die Würfel. Bis irgendwann Luft aus den Objekten ausströmt und die Bühne zur „schlappen Landschaft“ wird, wie Doris es nennt, und sich nicht nur als Performanceraum, sondern als Performance selbst vorstellt. Lebendige Geometrie. Trockennebel, buntes Licht, Objektskulptur, Körper, Energie, Bühne, Leben.

Es sollte viel öfter so sein, dass unterschiedliche Menschen gemeinsam etwas erarbeiten, sagt Andi Kleinhansl am Samstag in der Künstler*innengarderobe. Menschen mit Behinderung und ohne, Menschen mit Erfahrung von Obdachlosigkeit, Menschen, die gerne etwas gemeinsam tun, weil „nichts tun ist ja auch keine Option“, wie Gerhard Petrasek sagt. Ein unsichtbares Netz, das sich eine ganze Woche lang transformiert und gleichzeitig zusammenhält, bis ganz am Schluss Performer*innen und Publikum gemeinsam bei Snacks und Drinks auf der Bühne der Halle G wie Gudrun stehen. Jetzt wollen wir wissen, wie es mit Gudrun weitergeht.

 

Ruth Weismann ist seit 2017 Redakteurin bei der Wiener Straßenzeitung Augustin. Sie hat u. a. bildende Kunst studiert, für unterschiedliche Publikationen geschrieben und als Kunstvermittlerin gearbeitet.

 

 

 

 
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